Eine verwandte Fremdsprache: Esperanto aus deutscher Sicht


Josef Fliegner



Einleitung


Es klingt für ungeschulte Ohren recht spanisch, wenn man sich auf Esperanto einen guten Tag wünscht: „Mi deziras al vi bonan tagon.“ (Wörtlich: Ich wünsche Ihnen einen guten Tag). Die romanische Herkunft der meisten Wörter lässt sich nicht verleugnen. „Tag“- als einzige deutsche Wurzel erscheint durch das angehängte –o/n verfremdet. Es ist eben dadurch zum Esperantowort geworden. Das dem Deutschen entlehnte Akkusativ-n wird auf Anhieb kaum auffallen – ebenso wie der fehlende unbestimmte Artikel. Doch dem Scharfblick des Linguisten dürfte beides nicht entgehen. Auch die übliche Kurzform „Bonan tagon“ enthält wie „Guten Tag“ den Akkusativ.

In den letzten Jahrzehnten ist es in deutschen Öffentlichkeit sehr still um Esperanto geworden. Ist dieses Schweigen bereits ein Vorzeichen der Grabesstille? Oder hat man es mit den Stillen im Lande zu tun, die im Verborgenen um so eifriger wirken?

Werfen wir einen Blick ins Internet. Das Stichwort Deutsch wird 16,5 Millionen Mal genannt; Esperanto bringt es bei der gleichen Suchmaschine (Google) auf 187.000 Treffer. Demnach haben etliche Benutzer der Plansprache den Weg ins weltweite Netz gefunden – und zwar in jüngster Zeit. Im Esperanto-Chat melden sich tagtäglich neue Teilnehmer an. Derzeit haben sich über 700 Personen mit Namen, meist auch mit einem Foto vorgestellt1. Junge Leute überwiegen bei weitem in dieser Runde. Da wird rund um die Uhr - und den Globus - über Gott und die Welt (schriftlich) geplaudert. Also muss Leben da sein. In Anlehnung an Descartes können die Esperantosprecher von sich behaupten: „Wir sprechen, also leben wir - und unsere Sprache mit uns.“

Es geht uns hier im Sinne Ferdinand de Saussures in erster Linie um eine synchronische Betrachtung des Sprachbaus von Esperanto, allerdings bezogen auf Deutsch, was die Perspektive einschränkt. Wie Deutsch auf Esperanto eingewirkt hat, wird differenziert verfolgt. Doch spielt die mögliche Umkehrfrage hier so gut wie keine Rolle. In diachronischer Hinsicht begnügen wir mit einer gedrängten historischen Rückschau, wobei die Persönlichkeit des Initiators L. L. Samenhof im Mittelpunkt steht. Auf den Sprachgebrauch (la parole) und die Sprachgemeinschaft von heute gehen wir nur kurz ein.

In grauer Vorzeit liegen die gemeinsamen Wurzeln beider Sprachen und die europäische Kulturgeschichte verbindet beide durch ihre Begriffswelt. Esperanto gehört wie das Deutsche zur indogermanischen Sprachfamilie. Bis in die jüngste Zeit war das unbestritten. Neuerdings versuchen einige Esperantologen an ihrer Sprache auch einen asiatischen Charakter auszumachen, der zwar nicht durch den Wortschatz, sondern durch die besondere Grammatik, vor allem durch die Agglutination bei Wortbildung und Flexion gegeben sei. Das Hebräische jedoch hat Esperanto kaum beeinflusst (Samstag = sabato) und halbwegs vergleichbare agglutinierende Systeme, wie Ungarisch, Finnisch, Estnisch - Türkisch, Japanisch, stimmen nur teilweise mit den Strukturen des Esperanto überein. Solche Sprachen werden in Asien übrigens nur von etwa 20 % der Einwohner gesprochen2.

Im Laufe seiner Geschichte hat das Deutsche durch den Kontakt mit den politisch oder kulturell jeweils überlegenen Weltsprachen tiefgreifende Einflüsse erfahren, besonders durch Latein, Griechisch, Französisch und neuerdings Englisch. Darüber sollte man die weniger spürbaren Auswirkungen von Arabisch, Türkisch, Jiddisch, Niederländisch oder von slawischen und romanischen Kontaktsprachen nicht vergessen. Die Interferenz benachbarter oder anderweitig dominierender Sprachen gehört so betrachtet zur Dauererfahrung in einer mehrsprachigen Welt.

Wie gewöhnlich bei ethnischen Sprachen liegt der Ursprung des Deutschen im vorgeschichtlichen Dunkel. Der Name Deutsch - von diut = Volk - deutet indirekt auf die Andersartigkeit einer aus Dialekten gebildeten Volkssprache gegenüber dem Latein der Gelehrten hin. Die Beziehung zum Lateinischen wird uns auch beim Esperanto in besonderem Maße beschäftigen. Neuhochdeutsch als übergreifende Kultursprache ist kaum älter als 500 Jahre.

Aussicht, selber zur international gebrauchten Weltsprache zu werden, hatte Deutsch allenfalls kurz vor dem Ersten Weltkrieg, als es die dritte führende Kultursprache in Konkurrenz mit Englisch und Französisch darstellte. Auf dem Höhepunkt des damaligen Weltmachtstrebens gab es sogar Versuche, den Zugang durch ein vereinfachtes „Weltdeutsch“ (Abk. Wede) zu erleichtern3. U. Ammon hat zwar noch Anfang der 1990er Jahre für Deutsch einen dritten Platz in der Weltgeltung ausgerechnet4. Aber trotz seiner ca. 100 Millionen Sprecher ( Zweitsprachige eingeschlossen) gehört es mittlerweile der Zahl nach kaum mehr zu den ersten Zehn.

Die Ausrottung der Juden und die Austreibung deutscher Minderheiten infolge des Zweiten Weltkriegs hatten verheerende Folgen für den Gebrauch und das Ansehen der deutschen Sprache und Kultur in den betroffenen Ländern Ost- und Mitteleuropas. Über Jahrhunderte hatte das Deutsche dort als vermittelnde Zwischensprache gedient, an der die Jiddisch sprechende Bevölkerung einen wesentlichen Anteil hatte.

Deutsch ist heute anscheinend auf dem Rückzug. Nicht nur nach Meinung des Exkulturministers Nida-Rümelin hat es den ‚Kampf gegen das Englische als internationale Sprache‘ verloren. Sogar sein Gebrauch als Amts- und Arbeitssprache in den Institutionen der Europäischen Union steht in Frage, obwohl es die größte Sprechergruppe innerhalb der EU stellt.

Das sogenannte „Neudeutsch“ (oder „Denglisch“) unserer Tage5 weist infolge einer ungebremsten Amerikanisierung bereits jetzt erhebliche Umschichtungen des Vokabulars und teilweise auch eine veränderte Struktur auf, ein Prozess, der tendenziell auf einen Wechsel der Sprachidentität hinausläuft. Er kann zum Verlust einer eigenständigen deutschen Kultursprache führen. Diese Aussicht, zum amerikanischen Dialekt abzusinken, mag man als übertrieben belächeln oder nicht, gewichtige Indizien sprechen dafür, vor allem wenn man die heutige Sprachpraxis mit ihrer hausgemachten Abhängigkeit vom Englischen beibehält.

Würde man primär eine neutrale Zweitsprache zur internationalen Kommunikation verwenden, ergäbe sich für eine unabhängige Sprachentwicklung zweifellos mehr Freiraum als unter dem modischen Diktat des Englischen, das als interferierende fremde Nationalsprache eine weitgehende Anpassung herbeiführt.

Dabei wäre die Plansprache Esperanto nur eine Alternative von mehreren möglichen. Unter einer Plansprache verstehen wir „eine für Zwecke der internationalen Kommunikation nach bestimmten Kriterien planmäßig geschaffene Sprache“6.

Im Unterschied zu fast allen Nationalsprachen (Iwrith und Bahasa Indonesia evtl. ausgenommen) wurde Esperanto als Kopfgeburt am Schreibtisch geplant. Das Geburtsjahr 1887 steht fest, sogar der 26.07. als Geburtstag, wenn man das Datum der ersten Veröffentlichung als solchen betrachten will. Seitdem hat sich Esperanto zu einer weltweit lebenden, d. h. fortlaufend gelernten und gebrauchten Zweitsprache entwickelt. Für eine ethnische Sprache ist solch eine Zeitspanne kaum bemerkenswert, wohl aber für eine konstruierte Sprache. Trotz der beinahe 1000 Versuche, eine Plansprache zu schaffen (seit 350 Jahren), hat kein anderes Projekt dieser Art auch nur annähernd die Akzeptanz und Verbreitung des Esperanto erfahren. Kaum ein Dutzend gelangte merklich über das Projektstadium hinaus7.

Dieser relative Erfolg wirkte sich nachhaltig aus durch einen beträchtlichen Vorsprung vor konkurrierenden Plansprachen wie Volapük, Ido, Occidental/Interlingue (ab 1950), Interlingua, Novial, Latino sine flexione u. a., nicht aber im Verhältnis zu den Nationalsprachen. Während Esperanto die Konkurrenz der Plansprachen nahezu ausschaltete, blieb es hinter den großen Volkssprachen (ab 50 Mill.) zahlenmäßig so weit zurück, dass Uneingeweihte es für bereits abgestorben halten.

Die unvermeidliche Frage nach der Zahl der Esperantosprecher löst leicht Verlegenheit aus. Sprachstatistik – ohnehin kein leichtes Unterfangen – gerät dabei unversehens zum Schätzungsabenteuer. Weltweit 100.000 Sprecher vermutet die Encylopaedia Britannica und ca. 3 Mill. Benutzer nennt der Fischer Almanach von 1986 (S. 910). Das angesetzte Sprachniveau bleibt hierbei offen. Wie es sich bei einer Zweitsprache versteht, gibt es erheblich mehr Leser/Schreiber als Sprecher des Esperanto.

Die verbreitete Meinung, Plansprachen seien im Unterschied zu Volkssprachen etwas Künstliches und deshalb nur kurzlebig, lässt sich prinzipiell durch das Argument widerlegen, dass keine konkrete Sprache auf der Welt von Natur aus vorgegeben ist, sondern dass jede ein Kunstprodukt darstellt, für das es keine Bestandsgarantie geben kann. Sprache ist kein für sich bestehender Organismus, sondern ein Organon (K. Bühler), also ein Werkzeug, über dessen „Lebendigkeit“ die jeweiligen Benutzer entscheiden. Der Mensch erhält bei Geburt nur eine allgemeine Anlage zum Sprechen, nicht aber eine individuelle Sprache (N. Chomsky). Diese muss er erlernen und pflegen, um sie als Kulturgut zu besitzen.





Herkunft und Wirken des Initiators



Die Person des Begründers Ludwig Lazarus (Eleazar) Samenhof (1859 – 1917) ist so fundamental wichtig für Esperanto, dass es nicht genügt, sie beiläufig zu erwähnen. Wir verwenden bewusst die deutsche S-Schreibung seines Namens. Zur Erhellung seines kulturellen Hintergrundes trägt sie mehr bei als das sonst übliche polnische „Z“, das übrigens genauso wie das deutsche stimmhafte „S“ als /z/ ausgesprochen wird.

Als Jude im damaligen Russisch-Polen erlebte er in seiner Geburtsstadt Białystok hautnah den scharfen Gegensatz zwischen Polen, Russen, Juden, Deutschen und Ukrainern und er sah in den trennenden Sprachschranken die maßgebliche Ursache für die Konflikte zwischen den Nationalitäten, die sich bis zu Judenpogromen steigerten. Unter dem Eindruck dieser bedrückenden Erfahrungen entstand in dem jungen Mann der Traum nach einer alle Völker und Religionen verbindenden Sprache des Friedens, die international und neutral sein sollte.

In seiner persönlichen sprachlichen Entwicklung spielten Russisch, Polnisch, Jiddisch und Deutsch eine prägende Rolle. Als ausgebildeter und praktizierender Augenarzt war er trotz seiner vielseitigen Sprachkenntnisse eher ein linguistischer Laie. Was ihm an Theorie abging, glich er durch seine intuitive Begabung aus. Er spürte, worauf es ankam. Deswegen konnte seine neue Plansprache das Volapük [worldspeak = Weltsprache] des badischen Prälaten Johann Martin Schleyer ablösen, das gegen Ende der 1880er Jahre seinen höchsten Aufschwung erlebte und in Europa und Nordamerika Tausende begeisterter Anhänger unter den Gebildeten zählte, als das Erstlingswerk Samenhofs „La lingvo internacia“ unter dem Pseudonym eines Dr. Esperanto in Warschau erschien (1887).

Der Anlass zu dieser Namenswahl war, wie der Autor später kundtat, ziemlich banal. Die Endung „–hof“ seines Familiennamens deutete er als „hoff!“, also hoffend, dass die Zensoren des Zaren die Veröffentlichung genehmigten und das Büchlein (40 S.) möglichst viele Leser beeindruckte. Für den Ruf des jungen Arztes bedeutete ein Deckname weniger Risiko. Dass dieser zum gebräuchlichen Namen für seine Plansprache werden sollte, ahnte Samenhof nicht8.

Fachlinguisten haben später Mancherlei an Esperanto kritisiert und wohlbegründete Reformvorschläge gemacht, sind aber mit den eigenen Projekten an den Hürden der praktischen Umsetzung gescheitert ( z. B. Otto Jespersen mit Novial). Das internationale Publikum, soweit es sich überhaupt für die Idee einer Plansprache erwärmen ließ, folgte ganz überwiegend der Intuition des weitblickenden Laien aus Warschau.

Das lag einerseits mit am Naturprinzip, von dem er sich ziemlich konsequent bei der Auswahl der internationalen Sprachelemente für Esperanto leiten ließ (anders als z. B. Schleyer beim Volapük, der mehr apriorisch vorging); aber andererseits war es Samenhofs humanitärer Glaube, der ihn antrieb, sich lebenslang selbstlos für die Idee einer Welthilfssprache einzusetzen – eine positive Antwort auf die negativen Erfahrungen in seinem Umfeld.

Er wollte die Nationalsprachen nicht durch seine Internationale Sprache ersetzen9. Sicher hat er dem Sprachgebrauch zu viel Einfluss auf das Denken zugetraut. Seine „interna ideo“ mag an Wilhelm von Humboldts „innere Sprachform“ erinnern, doch war Samenhof kein Sprachphilosoph, sondern Pazifist. Seine neue Sprache hat er keineswegs aus dem Nichts geschaffen, sondern er schöpfte aus einer Jahrhunderte langen Tradition der geplanten und der ethnischen Sprachen, als er lexikalische Elemente aus verschiedenen europäischen Nationalsprachen kunstvoll zu einer neuartigen Ganzheit verband, die den überraschenden Erfolg seines Werkes begründete.

Samenhof sprach als Bewohner des Zarenreiches fließend Russisch und Polnisch. Er legte seine Prüfungen an russischen Bildungseinrichtungen ab. Aber er hat sich selber keineswegs als einen Polen oder (slawischen) Russen betrachtet.10 Seine Mutter Rosalia und seine Frau Klara geb. Silbernig sprachen Jiddisch, das man folglich auch als eine Haussprache der Familie Samenhof annehmen kann. 1882 veröffentlichte er eine Grammatik des Jiddischen in russischer Sprache11.

Daraus ergab sich eine begreifliche Nähe zum Deutschen, das er aktiv in Wort und Schrift beherrschte. Ein kurzes medizinisches Spezialstudium in Wien vertiefte auch seine Deutschkenntnisse. Nicht unwichtig für die Einschätzung seiner Originalität: Er konnte auch Volapük. Zudem besaß er Kenntnisse in Griechisch, Italienisch und vermutlich sogar in Spanisch und Litauisch12.

In Hebräisch, Latein, Französisch und Englisch hatte er vorwiegend nur Lesefertigkeiten. Dass aus den drei letzten Sprachen dennoch mehr Elemente ins Esperanto übergingen, lag an deren (häufigeren lateinischen) Wurzeln. Wegen seiner Nähe zum Lateinischen wird Esperanto gelegentlich auch als das neue Latein bezeichnet.13

Wenn wir das offene und positive Verhältnis Samenhofs zur deutschen Sprache und Kultur hier würdigen, möchten wir das traurige Schicksal seiner Kinder im Zweiten Weltkrieg nicht übergehen, in dessen Verlauf sein Sohn in Warschau erschossen und die beiden Töchter in Treblinka vergast wurden.

Aber dieses dunkle Kapitel gehört nicht zu den Ursprüngen von Esperanto. Als Samenhofs Sohn starb (1940), hatte die Sprache bereits ein halbes Jahrhundert stürmischer Entwicklung durchlaufen und trotz aller inneren und äußeren Hindernisse weltweit Verbreitung gefunden, obwohl noch viele weiße Flecken auf der Landkarte verblieben waren. Bespitzelung, Verfolgung und Unterdrückung durch braune und rote Diktaturen gehörten zu den Hindernissen auf dem Wege durch die Zeitgeschichte.

Erfolge erzielte Esperanto vorwiegend durch fünf sprachstrukturelle Faktoren:

(a) die fast lautgetreue Orthographie, (b) die überwiegend romanischen Morpheme, (c) die autonome (systematische) Wortbildung, (d) die stark agglutinierende Morphologie (mit ihren isolierbaren Bauteilen) und (e) die leicht überschaubare Flexion mit jeweils nur einem Deklinations- und Konjugationsmuster14. Im Rahmen unserer Fragestellung werden sie im Folgenden zur Sprache kommen.





Alphabet, Aussprache, Rechtschreibung



Das Esperanto-Alphabet besteht aus den folgenden 28 Buchstaben, denen jeweils genau ein Laut entspricht:

A a, B b, C c, Ĉ ĉ, D d, E e, F f,G g, Ĝ ĝ, H h, Ĥ ĥ, I i, J j, Ĵ ĵ,K k, L l, M m, N n, O o, P p, R r,S s, Ŝ ŝ, T t, U u, Ŭ ŭ, V v, Z z (wie dt. lesen)

Es gibt nur die fünf Vokale a, e, i, o, u, die ähnlich wie im Deutschen ausgesprochen werden, ohne dass man sie nach Länge oder Kürze unterscheidet.

Die 6 Akzentbuchstaben ĉ (tsch), ĝ (dsch wie gentleman, ĥ (ch wie in ach), ĵ (wie journal), ŝ (sch), ŭ (aŭ wie dt. ‚au‘) bilden für Anfänger zwar Hürden beim Maschinenschreiben, speziell bei der (EDV-)Textverarbeitung, aber nicht beim Sprechen und Lesen. Als Ersatzzeichen für ^ wird auch ein nachgestelltes –h oder –x gebraucht.

Da Laute und Buchstaben sich nahezu decken, erscheint die Orthographie beinahe problemlos - bis auf die internationalen Neuwörter, deren Schreibung erst einmal anzugleichen ist. Beispiel: software (engl.) softvaro, ausgesprochen: /softvá:ro/

Die einfachen mehrsilbigen Wörter werden ohne Ausnahme auf der vorletzten Sprechsilbe betont.

Beispiele: ĝardéno (Garten), íri (gehen), járo (Jahr), blúa (blau), Esperánto

Entfallen die Endvokale bei Wortzusammensetzungen oder bei poetischen Anforderungen, dann verbleibt der Akzent grundsätzlich auf der ursprünglichen Silbe; dies lockert aber die strenge Tonfolge auf, was den Dichtern mehr Spielraum gibt bei der Bildung von Versmaßen.

Beispiele: profesóro de biologío -> biologíprofesóro; vapórŝípo (Dampfschiff), dómpórdo (Haustür), letérkésto (Briefkasten), póŝtmárko (Briefmarke)







Herkunft des Wortschatzes



Bei der Auswahl des zunächst 900, später ca. 3000 Wortstämme umfassenden Grundwortschatzes für seine neue Sprache ließ Samenhof sich vom Naturprinzip leiten. Zum Vergleich zwei heutige Lexika: Das neue PIV (2002) hat 46.890 Lexeme und im großen Krause (1999) stehen 80.000 Stichwörter. Auch die Grammatik von Kalocsay/Waringhien (1980) ist auf 599 Seiten angewachsen (statt einer Doppelseite für das Fundamento).

Unter dem Naturprinzip versteht man die bevorzugte Übernahme von Wortstämmen, die in mehreren (europäischen) Kultursprachen vorkommen, also bereits international gebraucht werden. Der Begriff könnte so missverstanden werden, als ob die ethnischen (sog. natürlichen) Sprachen ‚naturbedingt‘ und somit keine Kulturschöpfungen wären, also keine von Menschenmund geschaffenen Gebilde. Um diesem Irrtum vorzubeugen, werden sie wegen ihrer langen Geschichte auch historische Sprachen genannt. Man fragt sich aber: Ist das 115 Jahre alte Esperanto nicht auch schon eine historische Sprache?

Das Wörterverzeichnis des Fundamento, einer Art Systemurkunde des Esperanto, wurde von Samenhof in die Nationalsprachen Französisch, Englisch, Deutsch, Russisch und Polnisch übertragen. Diese Reihenfolge bedeutet zugleich auch eine gewisse Rangfolge bei der Auswahl des Wortmaterials durch Samenhof.

Uns interessiert hier vor allem der deutsche Anteil des Vortaro (= Wörterverzeichnis). Die 50 Stammwörter der nachfolgenden Tabelle wurden in der Reihenfolge des Esperanto-Alphabets entnommen, soweit sie deutschen Lexemen ähnlich waren.

Die Auswahl macht deutlich, dass Lehn- und Fremdwörter weitaus zahlreicher Aufnahme fanden als Wörter mit mittel- oder gar althochdeutschen Wurzeln. Die hier aufgelisteten Wörter machen rund ein Viertel (26%) der entnommenen Stichprobe aus, auf die grau unterlegten rein deutschen Wörter entfallen nur 2%. Also bilden vor allem die entlehnten Lexeme des Deutschen eine Brücke zum Esperanto.





A

Deutsch

G/Ĝ

Deutsch

abon/i

abonnieren

gal/o

Galle

absces/o

Abszess

galeri/o

Galerie

adjektiv/o

Adjektiv

galon/o

Gallone

administr/i

verwalten, administrieren

galoŝ/o

Galosche

adverb/o

Adverb

gamaŝ/o

Gamasche

afer/o

Angelegenheit

garanti/i

bürgen, garantieren

akcept/i

akzeptieren

garb/o

Garbe

akusativ/o

Akkusativ

gas/o

Gas

almoz/o

Almosen

gast/o

Gast

altern/i

abwechseln, alternieren

gazel/o

Gazelle





K


M


kaf/o

Kaffee

magi/o

Magie, Zauber

kahel/o

Kachel

maiz/o

Mais

kajut/o

Kajüte

maj/o

Mai

kaleŝ/o

Kalesche

majstr/o

Meister

kalfatr/i

kalfatern

makler/i

makeln

kalk/o

Kalk

manier/o

Manier, Weise

kalkul/i

rechnen, kalkulieren

manovr/i

manövrieren

kamen/o

Kamin

mantel/o

Mantel

kamer/o

Kammer

mark/o

Marke

kanajl/o

Schurke

marmor/o

Marmor





S/Ŝ




ŝaf/o

Schaf



safir/o

Safir



safran/o

Safran



ŝajn/i

scheinen



sak/o

Sack



ŝak/o

Schach



ŝakal/o

Schakal



ŝal/o

Schal



ŝalm/o

Schalmei



salat/o

Salat







Falsche Freunde



Falschen Freunden begegnen wir in vielen Sprachen, vermutlich in den allermeisten – sogar in solchen, die ganz und gar nicht mit dem Deutschen verwandt sind. Dies kommt dann aber recht selten, eher zufällig und wohl ohne die Gefahr von Missverständnissen vor.

Jedoch unter Sprachverwandten gehört ihr scheinbar vertrautes Klang- oder Schriftbild beinahe zur alltäglichen Erfahrung, z. B. zwischen Deutsch und germanischen Sprachen wie Niederländisch (bellen, gekocht, openbar, meer, zee), Jiddisch (schtetl), Englisch (hat, hut, gift, where, war, was etc.) - aber auch beim Esperanto erscheinen die falschen Freunde scharenweise, obwohl es gar keine germanische Sprache ist. Der Journalist Stefan Maul hat rund 1000 Beispiele für solche Verwechslungsmöglichkeiten gesammelt15.


Esperanto

Deutsch

Deutsch

Esperanto

mal/o

Gegenteil

Mal

fojo, signo



malen

pentri



mahlen

mueli



Mahl

manĝo, festeno



Mahnmal

memoriga monumento

mam/o

weibliche Brust

Mama

panjo; patrino

man/o

Hand

Mann

viro



man

oni



mahnen

admoni

map/o

Landkarte

Mappe

paperujo, aktujo, teko

mas/o

Masse (Materie)

Maß

mezurilo



Masse

(Volksmenge)

amaso

mast/o

Mast (Stange)

Mast (b. Tieren)

grasigo

mat/o

Matte; Matt (Schach)

matt

lacega



Maat

maato



Matte (Alm)

alpo, paŝtejo

medi/o

Umwelt

Medien

komunikiloj



Medium

mediumo

naci/o

Nation

Nazi

nazio



Wortarten, Flexion und Satzgliederung



Von den Inhaltswörtern des Esperanto werden die vier zentralen Wortarten auf eine denkbar einfache Weise gebildet. Sie enden jeweils auf einem der Vokale -o, -a, -i oder –e, je nachdem sie ein Nomen, ein Adjektiv, einen Infinitiv oder ein Adverb bezeichnen. Das ist Samenhofs ureigene Idee, die im Unterschied zum Naturprinzip keine Abweichungen erlaubt. Hieran wird auch deutlich, dass bei der Agglutination Sprachbausteine zusammengefügt werden (Baukastensystem). Nach René de Saussure16 sind o, a, i, e die Grundwörter. Sie „bilden das Fundament für die Analyse und Synthese der Wörter“17. Er stützt sich dabei auf Samenhof selbst: „Grammatikalische Endungen werden als selbstständige Wörter betrachtet“18.

Nomen und Adjektive erhalten im Plural ein –j angehängt und im Akkusativ ein -n. Beim Genitiv wird „de“ und beim Dativ „al“ als Präposition vorangestellt, welche den Nominativ regiert (s. Regeln 2 u. 8 des Fundamento). Insofern handelt es sich hierbei nur um eine analoge, aber nicht um eine deckungsgleiche Wiedergabe der deutschen Fälle.

Doch diese wenigen Merkmale reichen aus, um die Unterscheidung und Kongruenz der Satzteile zu sichern und die Satzglieder so leicht wie im Deutschen umzustellen. Die Nomen werden nur vom bestimmten Artikel „la“ begleitet. Fehlt er, so dient dies zum Ausdruck des unbestimmten Artikels. Ein grammatisches Geschlecht gibt es nicht.

Beispiele zur Deklination:

Nom. la ruĝa pomo – der rote Apfel; la ruĝaj pomoj (die r. Äpfel)

Gen.: de la pomo – des Apfels

Dat.: al la pomo – dem Apfel

Akk.: la ruĝan pomon – den roten Apfel; la ruĝajn pomojn (die r. Ä.)

Die drei Tempora des Verbs lassen sich durch die Suffixe für Gegenwart (-as), Vergangenheit (-is) und Zukunft (-os) mit Hilfe der Partizipien des Aktivs (-ant-, -int-, -ont-) und Passivs (-at-, -it-, -ot-) so flexibel kombinieren, dass alle Zeitverhältnisse des Deutschen ins Esperanto übertragen werden können. Die jeweilige Tempusendung bleibt für alle Personen gleich (von „ich“ bis „sie“). Alleiniges Hilfssverb zur Bildung der zusammengesetzten Verbformen ist „esti“ (sein); „havi“ (haben) wird nur als Vollverb verwendet.

Als Modi neben dem Indikativ gibt es das Konditional (-us) und den Imperativ (-u).

Ein Beispiel zur Konjugation und zum Satzbau:

Faka kuracisto de la hospitalo/ malpermesis/ al mia amiko/ fumi cigaredojn.

(Ein Facharzt des Krankenhauses/ verbot/ meinem Freund/ Zigaretten zu rauchen).

Eine Umstellung der Satzglieder [in Sinnblöcken] ist wie beim Deutschen möglich, aber ohne eine feste Zweitstellung des Prädikatsverbs.

Al mia amiko/ faka kuracisto de la hospitalo/ malpermesis/ fumi cigaredojn.

Fumi cigaredojn/...



Strukturwörter als autonomer Kernbereich des Esperanto

Bei der Auswahl der Strukturwörter, d. h. bei den Pronomen und Partikeln, spielte das (aposteriorische) Naturprinzip und damit auch das Vorbild bestehender Sprachen keine beherrschende Rolle. Die Strukturwörter wurden zumeist apriorisch, d. h. nach dem Autonomieprinzip neu gebildet und nur zu einem geringen Teil bestehenden Sprachen entnommen.

Das zeigt sich z. B. an den Personalpronomen „(1) mi, (2) ci, (3) li, ŝi, ĝi“ (Sg.); „ni, vi, ili“ (Pl.), bei denen bloß noch ŝi an engl. „she“ und ili an frz. „ils“ erinnern. Possessivpronomen bildet man aus ihnen, indem man jeweils die Adjektivendung -a anfügt; also: mi/a – mein, ni/a – unser. Genauso erhält man die Ordinalzahlen aus den Kardinalzahlen; unu/a – erster, du/a – zweiter usf.

Noch klarer erscheinen die folgenden sog. Tabellwörter als autonome Eigenbildungen. Als Korrelativa, wie sie auch heißen, bekamen ihren (Zweit-)Namen, weil sie sich systematisch in die Zeilen und Spalten einer Tabelle einordnen lassen. Allerdings hat Samenhof sie nur als ganze Wörter vorgesehen - jedoch nicht, was beim Vergleich der Bauteile naheläge, als Morpheme. Die folgende Tabelle verdeutlicht die Regelhaftigkeit dieser Strukturwörter. Die Spalten 1 – 5 enthalten Pronomen (substantivische (1 - 3), adjektivische (4 - 5), die Spalten 6 – 10 erfassen Adverbien.



Person/ benannte Sache


-u

Besitz



-es

Unbenannte

Sache


-o

Menge



-om

Beschaffen-heit


-a

Ort



-e

Richtung


-en

Zeit



-am

Art



-el

Grund



-al

Fragend


ki-

kiu


wer, welcher, -e, -es

kies


wessen

kio


was

kiom


wie viel(e)

kia


wie beschaffen

kie


wo

kien


wohin

kiam


wann

kiel


wie, auf welche Weise

kial


warum

weshalb

Hinweisend


ti-

tiu


der, jener

ties


dessen

tio


das, jenes

tiom


so viel(e)

tia


solch

tie


da, dort

tien


dorthin

iam


dann, damals

tiel


so

tial


darum, deshalb

Verneinend


neni-

neniu


niemand, keiner

nenies


niemandes

nenio


nichts

neniom


gar nichts

nenia


kein, keinerlei

nenie


nirgends

nenien


nirgendwohin

neniam


niemals

neniel


keineswegs

nenial


aus keinem Grunde

Unbestimmt


i-

iu


irgendeiner, jemand

ies


irgend-

jemandes

io


(irgend) etwas

iom


etwas,

ein wenig

ia


irgendwelch,

irgendein

ie


irgendwo

ien


irgendwohin

iam


irgend-wann, einst

iel


irgendwie

ial


aus irgendeinem Grunde

Allumfassend

ĉi-

ĉiu


jeder, -e, -es

(ĉiuj = alle)

ĉies


jedermanns

ĉio


alles

ĉiom


alles, das Ganze

ĉia


jeglich, jederlei

ĉie


überall

ĉien


überallhin

ĉiam


immer

ĉiel


auf jede Weise

ĉial


aus jedem Grunde

Tabelle: Korrelative Strukturwörter (Tabellwörter)

Wortbildung


Das Naturprinzip bei Samenhof erklärt nicht hinreichend, warum Esperanto sich so erfolgreich durchsetzen konnte, obgleich die Konkurrenz einen Wortschatz aufwies, der internationaler war und demzufolge leichter zu erlernen. Ohne die Möglichkeit eigenständiger Wortbildung nach verbindlichen Regeln wäre die Faszination einer funktionierenden internationalen Sprache nach dem ersten Kennenlernen kaum vorstellbar - ein Zauber, den Esperanto bis heute auf jeden ausübt, der es gelernt hat und anwendet.

Sogar Anfänger eignen sich das Rüstzeug für die Wortbildung rasch an und bilden selbständig neue Wörter, die sie in keinem Lexikon nachgeschlagen haben – und die der Gesprächspartner dennoch versteht. Noch stärker trifft dies beim Lesen zu. Manche zunächst ungewohnte Neubildung lässt sich entschlüsseln ohne die Hilfe eines Wörterbuches. Das ist der Vorteil von Regelungen, die uneingeschränkt gelten.

Welche Regeln zur Wortbildung es gibt, steht kurz und knapp im grammatischen Teil des Fundamento19. Die Wortbildungsverfahren sind weitgehend ähnlich wie im Deutschen20:

  1. Kombination von Wortstämmen, wobei das Grundwort hinten und das differenzierende Bestimmungswort vorne steht.

Beisp.: leter/kesto - Briefkasten

  1. Beifügung und Kombination von Wortbildungsaffixen, d. h. von

2.1 Präfixen als Vorsilben

2.2 Suffixen als Endungen

Beisp.: mal/san/ul/ej/o - Krankenhaus

  1. Ableitung21 [für Esperanto untypisch]

Beisp.: schreiben > Schrift; fahren > Fahrt, Fuhre; abfallen > Abfall

Auf die Bildung der Inhaltswörter im Esperanto (als Wortarten) haben wir bereits im vorletzten Kapitel Bezug genommen. Auch im Deutschen kommt es tagtäglich zu Neubildungen. Nur wenige bleiben erhalten. Was als außergewöhnlich erscheint, kann wie kürzlich „Teuro“ zum Wort des Jahres erklärt werden.

Betrachten wir einige Beispiele in loser Folge. Als Glücksfall erscheint „wassern“, das als Gegenstück zu „landen“ entstand. Bei „surfen“ hat das endungslose englische Verb nur eine dt. Endung erhalten. Beim „Brennen“ von Kompaktdisketten (CDs) handelt es sich um die Übertragung eines alten Wortes in einen anderen Verwendungsbereich. „Mixer“ klingt zumindest deutsch, ob damit nun ein Mensch oder eine Maschine gemeint ist. „Wagen“ konnte das Wort „Auto(mobil)“ in Teilbereichen ablösen, aber vornehmlich, weil bespannte und gezogene Leiter- und Kastenwagen samt Kutschen aus dem Verkehr gezogen wurden. Das Wort wurde nur übertragen, aber nicht neu geschaffen. Weit häufiger sind entlehnte Verben, die auf –ieren enden, z-. B. ventilieren zu Ventil, recherchieren zu Recherche, silieren zu Silo.

In der chemischen Fachsprache verwendet man die Endung –id, um Verbindungen eines bestimmten Elements zu kennzeichnen, z. B. die Oxide als Sauerstoffverbindungen (von Oxygenium), die Sulfide als Schwefelverbindungen (von Sulfur). Ein näherer Bezug zu Esperanto ergibt sich bei Bildungen wie Europide, Negride u. ä., weil hier Abstammung gemeint ist. Aber hierbei geht es um eine für den internationalen Austausch gedachte Fachsprache. Solche Beispiele deuten an, dass Fachbereiche Wörter an die Allgemeinsprache liefern. Fachsprache wird dann gleichsam in Gemeinsprache überführt.

In den zusammengesetzten Wörtern des Esperanto können die Bestimmungswörter (vorn) das Substantiv-o behalten oder verlieren, je nachdem, ob es für Wohlklang oder Bedeutung besser ist oder nicht22.

So kommt es zu: dompordo – Haustür, aber ĉambropordo – Zimmertür, kafoklatŝo – Kaffeeklatsch; porpacomarŝo – Friedensmarsch, terpomo – Erdapfel/Kartoffel, aber pom(o)kaĉo – Apfelmus; partopreni -teilnehmen

Bei den Affixen des Esperanto ist der deutsche Anteil etwas spärlicher als bei den übrigen Morphemen ausgefallen.

Als Präfixe kommen in Frage:

eks- ex-, ehemalig, z. B. eksreĝo – Exkönig; eksedzo - Exmann

fi- moralisch verwerflich (von „pfui“ abgeleitet); fihomo - Unmensch

ge- meint beide Geschlechter; gepatroj - Eltern, gefratoj - Geschwister

mis- miss-, misuzi – missbrauchen, miskompreni - missverstehen

Als Suffixe fanden Eingang:

-ig- Kausativ bei Verben, z. b. laca – müde > lacigi – ermüden

-in- weibliches (natürliches) Geschlecht; instruisto – Lehrer > instruistino – Lehrerin

-ist- Beruf, Fachkraft; labori – arbeiten; laboristo - Arbeiter

Nur mit Einschränkung könnte man auch noch die folgenden hinzurechnen:

-an- Anhänger, Bewohner; brazilano – Brazilianer; ĥorano - Chormitglied

-id- Nachkomme; ŝafo – Schaf; ŝafido – Lamm

-er- Teil eines Ganzen; mono – Geld; monero – Münze (Hier erhielt das Suf- fix –er- jedoch eine ganz andere Bedeutung als die entsprechende deut sche Endung -er).



Neologismen im Esperanto und im Deutschen



Das Problem, welche neuartigen Begriffe neue Wörter brauchen, ob man diese aus vorhandenen Wurzeln neu bilden sollte und welche Wörter man besser aus anderen Sprachen übernimmt, stellt sich für beide Sprachen ziemlich ähnlich und führt in beiden zu lebhaften Auseinandersetzungen. Bereits 1933 äußerte sich Paul Neergaard zu dieser Frage in „Fremdvortoj en Esperanto“. Bei deren Übernahme sind für ihn folgende fünf Aspekte (Prinzipien) von Belang: Internationalität, Kürze, Regularität, Wohlklang und Sprachökonomie23. Eine ganz einfache Lösung gibt es hierbei nicht. Die Internationalität liegt oft im Widerstreit mit den übrigen Faktoren.

Meist wird das Problem als Konflikt zwischen Purismus und Internationalismus gedeutet. Wells erläutert seine Auffassung am Wortpaar: mal/san/ul/ej/o – hospital/o, wobei er das konkurrierende „hospitalo“ als lernleichter einstuft, weil es internationaler sei24.

Gelegentlich wird die Frage auch im Chat aufgeworfen25:

Goreno (RU): iufoje oni eĉ bezonas krei kunmetaĵoj[n] por perskribi [priskribi] iu[n] ekzotika[n] nocio[n]

Ken (US): Nu, Goreno, ekzemple komparu 'fuelo‘

(G.: Manchmal muss man sogar zusammengesetzte Wörter (neu) bilden, um irgendeinen exotischen Begriff zu beschreiben. K.: Na, Goreno, vergleiche z. B. mit „fuel/o“ [= Sprit, Treibstoff]). Die Alternative „fuel/o“, kurz und knapp und sogar noch englisch (quasi international), erscheint dem Amerikaner eben als die praktischere Lösung.

Besonders die Fachsprachen stehen vor der Aufgabe, neue Wörter zu finden. Als Beleg kann das ca. 2500 Wörter umfassende EDV-Wörterbuch von Pokrovskij dienen. Hier einige solcher Neuwörter.





Englisch

Esperanto

Deutsch

download

elŝuti

herunterladen

computer

komputero – komputoro - komputilo

Computer, Rechner

hardware

hardvaro – aparataro

Hardware

software

softvaro – programaro

Software

operating system

mastruma sistemo

Betriebssystem

e-mail

retpoŝto

E-Mail, E-Post

internet

interreto, reto

Internet(z)

Durch den bisherigen Gebrauch der Sprachgemeinschaft bedingt, hat das neue PIV26, der aktuelle „Duden“ für Esperanto, komputilo den konkurrierenden Bezeichnungen vorgezogen; komputero schied aus, weil es ein leicht verwechselbares er-Suffix zu enthalten scheint. Das Wort mit dem eindeutigen Esperanto-Suffix -il (= Werkzeug) hat den Zuschlag bekommen. Komputoro bleibt aber noch zulässig. Letztendlich entscheidet die allgemeinere Verwendung über die bleibende Aufnahme von neuen Wörtern. Dieses Prinzip gilt bereits seit Samenhofs Zeiten als Richtschnur.

Ein beeindruckender Fall ist die Verdrängung des im Fundamento aufgeführten Suffixes –ujo durch die Endung –io bei den Ländernamen27. Widerstrebend erklärte sich die Akademio, das entsprechende Esperanto-Organ für strittige Sprachfragen, mit einer Duldung einverstanden. Heute ist es üblich zu sagen Germanio, Britio, Rusio statt Germanujo, Britujo, Rusujo.

Auch das Samenhofsche „ci“ wird als Personalpronomen für „du“ heute kaum noch gebraucht, dafür aber „vi“.

Plansprachen sind also wie alle lebenden Sprachen dem Sprachwandel unterworfen. Statt kriplo, das um 1900 üblich war, verwendet man heute lieber handikapulo, um einen Behinderten zu bezeichnen. Beim Geschlecht verfährt man dagegen eher konservativ. Fortschrittliche Frauen benutzen gerne das substantivierte Affix ino für virino, um (wenigstens) nicht im Wortbild als Anhängsel des Mannes zu erscheinen. Das ist durchaus im Sinne des Fundamento, das den Affixen selbständige Bedeutungen beilegt (ein Aspekt der Agglutination).

Oft sind gerade die Ostasiaten stärker auf die Bewahrung der Fundamente bedacht als die Europäer. Man vergleiche das in der Zeitschrift „El Popola Ĉinio“ übliche mal/pli/mult/o = Minderheit, während Westler dafür eher das international verbreitete „minoritato“ verwenden.

Deutschsprachige gebrauchen für Esperantosprecher lieber das Wort esperantlingvano als esperantisto, um keinen Sektengeruch aufkommen zu lassen.

Auch für Esperanto ließe sich daher trotz seines geringen Alters bereits heute eine Geschichte der Beeinflussung durch die (vor allem europäischen) Nationalsprachen schreiben28. Es leuchtet ein, dass stärkere nationale Tendenzen den Zusammenhalt der internationalen Sprachgemeinschaft gefährden können. Im Laufe der Jahre ist aber dennoch zu einer wachsenden Romanisierung der Internationalen Sprache gekommen. Weidmann spricht von einem „Snob-appeal“ des Englischen, das in neuerer Zeit stärker eindringt.

Aber die oben erwähnten Beispiele zeigen, dass die Esperantisierung infolge der Vorgaben zur Schreibung, Aussprache und Wortartbildung zu regelhafteren Lösungen führt, als es die Amerikanismen des modischen Denglisch erlauben, die uns bei Aussprache, Schreibung und sogar beim Stil eine weitgehende Anpassung an das Englische abverlangen, wenn z. B.

Ohne Englischkenntnisse sind die Neuwörter oft gar nicht zu begreifen, sie sind aber auch schwerer zu sprechen und zu schreiben. Übersetzungen werden meist gar nicht erst versucht.


Zur Belletristik und Poesie des Esperanto

Samenhof hat von 1894 an bis zu seinem Lebensende eine Reihe von Werken der Weltliteratur ins Esperanto übertragen. Dazu gehören u. a. Shakespeares „Hamlet“ (1894), Gogols „Revisor“ (1907), Molières „George Dandin“ (1908), Goethes „Iphigenie auf Tauris“ (1908), Schillers „Räuber“ (1908), Andersens Märchen und noch kurz vor seinem Tod das ganze „Alte Testament“29.

Dem Beispiel des Initiators sind viele seiner Anhänger gefolgt, so dass es heute aus vielen Nationalsprachen Übersetzungen klassischer und moderner Werke gibt. Vor allem die kleineren Sprachen profitieren davon, zumal sie ansonsten seltener übersetzt werden. Außer zahlreichen Werken der Weltliteratur, die aus den europäischen und asiatischen Volkssprachen übertragen wurden, sind eine Reihe von Anthologien oder vergleichbare Literatursammlungen kleinerer Nationalsprachen in Esperanto erschienen (z. B. Slowakisch, Ungarisch, Estnisch, Serbisch, Kroatisch, Finnisch, Rumänisch, Schwedisch, ..).

Die aktuelle Internet-Bibliographie des Esperanto-Weltbundes (UEA, Rotterdam) enthält insgesamt 7267 Bücher, Kassetten, CDs u. a., die in 18 inhaltliche Kategorien unterteilt sind. Dazu zählen beispielsweise 70 Anthologien, 101 Biographien, 144 philosophische Werke, 113 historische Texte, 817 Lehrbücher, 712 linguistische Texte, 261 Titel originale Poesie, 889 Titel übersetzte Poesie, 163 Schriften über Politik, 186 Titel Kinderliteratur, 216 Schriften über Religion und Sekten, 352 Titel Originalprosa (Romane, Novellen, Erzählungen), 575 Titel übersetzter Prosa, 288 wissenschaftliche/technische Abhandlungen, 184 Schriften zum Theater, 112 Musikwerke, 491 Titel sonstige Prosa. Die deutsche Esperanto-Zentralbibliothek in Aalen/Württemberg verfügt nach eigenen Angaben über knapp 20.000 Titel.

Es folgt jeweils ein Beispiel für originale und übersetzte Poesie.



Aŭtuno venis von Vladimir Samodaj (1997)30

Aŭtuno venis. Jam la sesdek tria...

Es kam der Herbst. Schon der dreiundsechzigste ...

Vegetas mi, nek sobra, nek ebria,

Ich lebe dahin, weder nüchtern noch berauscht,

Ĉar sobri mankas la kialo,

weil es keinen Grund gibt, nüchtern zu bleiben,

Ebrii – mankas la dezir‘.

und ich kein Verlangen spüre, betrunken zu sein.

Zigzagas mia viv-realo...

So wanke ich durchs wirkliche Leben...

Ĉu longe daŭros ĝia kurba ir‘?

Wird‘s noch lange so weitergehen?


Das Hohelied der Liebe (4,1-5)

Samenhof31

Elberfelder Bibel (Internetausgabe)

Vi estas bela, mia amatino, vi estas bela;

4,1 Siehe, schön bist du, meine Freundin. Siehe, du bist schön!

Viaj okuloj estas kolomboj, malantaŭ via vualo.

Deine Augen [leuchten wie] Tauben hinter deinem Schleier hervor.

Viaj haroj estas kiel aro da kaprinoj,

Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen,

Deirantaj sur la deklivo de la monto Gilead.

die vom Gebirge Gilead hüpfen.

Viaj dentoj estas kiel tondotaj ŝafinoj,

4,2 Deine Zähne sind wie eine Herde frisch geschorener [Schafe],

Kiuj elvenas el lavejo;

die aus der Schwemme heraufkommen,

Ĉiuj estas en paroj,

jeder [Zahn] hat seinen Zwilling,

Kaj ne mankas eĉ unu el ili.

keinem von ihnen fehlt er.

Viaj lipoj estas kiel ruĝa fadeno,

4,3 Wie eine karmesinrote Schnur sind deine Lippen,

Kaj via elparolado estas bela;

und dein Mund ist lieblich.

Kiel peco de granato, viaj vangoj aspektas

Wie eine Granatapfelscheibe [schimmert] deine Schläfe

Malantaŭ via vualo.

hinter deinem Schleier hervor.

Via kolo estas kiel la turo de David, kiu estas konstruita kiel armiltenejo;

4,4 Dein Hals ist wie der Turm Davids, der rund gebaut ist.

Mil ŝildoj pendas sur ĝi,

Tausend Schilde hängen daran,

Ĉiuj ŝildoj de la potenculoj.

alles Schilde von Helden.

Viaj mamoj estas kiel du cervidoj, ĝemeloj de la gazelino,

4,5 Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitze, Zwillinge der Gazelle,

Kiuj sin paŝtas inter la rozoj.

die in den Lilien weiden.



Sprachgemeinschaft und Zukunftsperspektiven des Esperanto



Bezogen auf ihre internationale Sprachgemeinschaft leben Esperantosprecher in einer Diaspora. Das gilt bereits, wenn man weltweit nur von 100.000 ausgeht. In der Großstadt, in der ich wohne, müsste es dann zumindest zwei Sprecher geben. Einstweilen darf ich mich noch darauf freuen, diesen zweiten kennen zu lernen. Nach der extrem vorsichtigen Schätzung von Simon Payne gäbe es aber nur 4000 – oder maximal 20.000 Esperantosprecher auf der Erde.32 Ein aussterbender Esperantoklub in Gladbeck macht deutlich, wie es mancherorts um den Nachwuchs bestellt ist33. Chatteilnehmer Angelo hat Ähnliches aus Palermo zu berichten. Johano (!) Strasser, selber Sohn eines internationalen Esperantopaares, schildert in „Der Klang der Fanfare“ aus kühler Distanz das triste Kleine-Leute-Milieu solch einer Familie. Seine persönliche Abwendung von der Muttersprache muss die treuen Anhänger besonders schmerzen34. Auch in den ehemals sozialistischen Ländern sind die Mitgliederzahlen nach der Wende geschrumpft. Carlevaro befürchtet das Ende der Bewegung für das Jahr 2045 (stellt dies aber bereits im Buchtitel in Frage)35. Zu dieser Einschätzung passt die Meldung, dass Radio Austrio in Wien Ende 2002 seinen Betrieb einstellen muss. Es gibt also reichlich Kritisches aus „Esperantoland“ zu vermelden. Das Frühlingserwachen lässt vielerorts auf sich warten.

Andererseits kann eine Sprachbewegung auf lange Sicht nicht nur von der Hoffnung leben. Doch Nachwuchssorgen zahlreicher Gruppen und eine relativ geringe Sprecherzahl insgesamt bedeuten nicht das Aus. Entscheidend ist vielmehr: Trotz unleugbarer Rückschläge erfährt Esperanto im Ganzen weiterhin Auftrieb. Ein paar ermutigende Fakten seien aufgelistet.

Zum Jubiläumskongress 1987 in Warschau kamen 6000 Besucher. Mehrere Tausend Teilnehmer auf den jährlich stattfindenden Weltkongressen waren in neuerer Zeit nichts Außergewöhnliches (erstes Treffen 1905 in Boulogne-sur-mer, das letzte 2002 in Fortaleza, Brasilien; das nächste 2003 in Göteborg. Vorher: 2001 in Zagreb, 2000 in Tel Aviv, 1999 in Berlin).

Akademio-Mitglied J. C. Wells sieht im Internet enorme Chancen für Esperanto. Die neuere Entwicklung dürfte seinen Optimismus bestätigen. Der Brasilianer Carlos Pereira, Herausgeber des „Kurso de Esperanto“, übersetzt in ca. 20 Unterrichtssprachen, berichtet, dass dieses multimediale Lernprogramm während nur eines Jahres 50.000 Mal heruntergeladen wurde.

Esperanto ist längst keine ausschließlich europäische Bewegung mehr. Abgesehen von Afrika, wo es noch in den Anfängen steckt, hat es in den meisten Staaten der Welt Fuß gefasst – auch in Ostasien, wo es Schwerpunkte in Japan, China, Korea und Vietnam gibt.

Eine von mir ausgezählte Stichprobe von nur 59 Chatteilnehmern erfasste 8 Angestellte, 3 Anwälte, 2 Apotheker, 1 Arbeiter, 1 Bibliothekarin, 1 Dolmetscherin, 1 Hausfrau, 4 Journalisten, 9 Informatiker, 2 Kaufleute, 2 Künstler, 9 LehrerInnen, 1 Physikerin, 11 Studenten und 4 Techniker aus insgesamt 29 Ländern: Argentinien, Belgien, Brasilien, China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Guatemala, Honduras, Indien, Israel, Italien, Korea, Norwegen, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweiz, Spanien, Taiwan, Ungarn, Ukraine, USA, Vietnam, Weißrussland. Die Verteilung der Berufsgruppen weist ähnliche Tendenzen auf, wie sie Piron bei 2183 Vpn. errechnet38.

Gering ist noch immer die Akzeptanz im politischen Bereich. U. Matthias spricht von der Erwartung der Esperantofreunde, es möge endlich ein Zeichen gesetzt werden. Solch ein Zeichen wäre z. B. nicht nur ein Ostergruß des Papstes auf Esperanto, sondern etwa sein Einsatz als Umgangs- und Zwischensprache unter den Kirchenmitgliedern – neben dem traditionellen Latein für die amtlichen Dokumente. Noch stärker ausstrahlen könnte Esperanto als gemeinsame Zweitsprache in den EU-Institutionen - oder in der VR China zur Abwicklung des Außenwirtschaftsverkehrs. Heute noch kaum vorstellbar – aber deswegen unmöglich?

Der Ausdruck Esperantogeld39 war hierzulande in den neunziger Jahren Ausdruck der Ablehnung für das angeblich wirklichkeitsfremde Vorhaben der Gemeinschaftswährung Euro. Nun ist die neue Währung Realität.

Hoffentlich nutzt die Menschheit eines Tages auch die Vorteile einer Plansprache, um die Verständigung zwischen den Völkern weltweit zu erleichtern. Gelungene Versuche mit geplanten Sprachen zeigen, dass dies keine Utopie bleiben muss.



Literaturverzeichnis



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Zamenhof, L. L.: Fundamento de Esperanto. Esperanta parto sen traduko. Paris: Esperantista Centra Librejo 1931

Anhang: Grammatikteil des Fundamento de Esperanto40



GRAMMATIK

  1. DAS ALPHABET


Aa,
a

Bb,
b

Cc,
c, z

Ĉĉ,
tsch

Dd,
d

Ee,
e

Ff,
f

Gg,
g

Ĝĝ,
dsch

Hh,
h

Ĥĥ,
ch

Ii,
i

Jj,
j

Ĵĵ,
sh, j

Kk,
k

Ll,
l

Mm,
m

Nn,
n

Oo,
o

Pp,
p

Rr,
r

Ss,
ss

Ŝŝ,
sch

Tt,
t

Uu,
u

Ŭŭ,
kurzes u

Vv,
w

Zz,
s
(wie in „lesen“)


Anmerkung: ĝ lautet wie das englische g in gentleman; ĵ wie das französische j in journal; ŭ wie das kurze u in glauben (wird nur nach einem Vokal gebraucht). Bei mangelnden Typen im Druck ersetzt man ĉ, ĝ, ĥ, ĵ, ŝ, ŭ durch ch, gh, hh, jh, sh, u.



  1. Redetheile.


1. Der bestimmte Artikel ist la, für alle Geschlechter und Fälle, für die Einzahl und Mehrzahl. Einen unbestimmten Artikel gibt es nicht.

2. Das Hauptwort bekommt immer die Endung o. Der Plural bekommt die Endung j. Es gibt nur zwei Fälle: Nominativ und Akkusativ; der letztere entsteht aus dem Nominativ, indem die Endung n hinzugefügt wird. Die übrigen Fälle werden vermittelst der Präpositionen ausgedrückt: der Genitiv durch de (von), der Dativ durch al (zu), der Ablativ durch kun (mit), oder andere, dem Sinne entsprechende, Präpositionen. Z.B. la patr'o, der Vater; al la patr'o, dem Vater; la patr'o'n, den Vater; la patr'o'j'n, die Väter (Akkusativ).

3. Das Eigenschaftswort endet immer auf a. Deklinationen wie beim Substantiv. Der Komparativ wird mit Hülfe des Wortes pli (mehr), der Superlativ durch plej (am meisten) gebildet. Das Wort „als“ heißt ol. Z.B.: pli blank'a ol neĝ'o, weißer als Schnee.

4. Die Grundzahlwörter (undeklinirbar) sind folgende: unu (1), du (2), tri (3), kvar (4), kvin (5), ses (6), sep (7), ok (8), naŭ (9), dek (10), cent (100), mil (1000). Zehner und Hunderter werden durch einfache Anreihung der Zahlwörter gebildet; z.B.: kvin'cent tri'dek tri = 533. Ordnungszahlwörter entstehen, indem sie die Endung des Adjektivs annehmen; z.B. kvar'a, vierter. Vervielfältigungszahlwörter durch Einschiebung des Suffixes obl; z.B.: tri'obl'a, dreifach. Bruchzahlwörter durch on; z.B. kvar'on'o, ein Viertel. Sammelzahlwörter durch op; z.B. du'op'e, selbander. Distributive Zahlwörter durch das Wort po; z.B. po kvin zu fünf. Außerdem gibt es Substantiv- und Adverbialzahlwörter; z.B. cent'o, das Hundert, du'e, zweitens.

5. Die persönlichen Fürwörter sind: mi (ich), vi (du, Ihr), li (er), ŝi (sie), ĝi (es; von Thieren oder Sachen), si (sich), ni (wir), ili (sie [Mehrzahl]), oni (man). Possessive Pronomina werden durch die Hinzufügung der Endung des Adjektivs gebildet. Die Pronomina werden gleich den Substantiven dekliniert. Z.B.: mi'a, mein, mi'n, mich.

6. Das Zeitwort hat weder Personen noch Mehrzahl; z.B. mi far'as, ich mache; la patr'o far'as, der Vater macht; ili far'as, sie machen.



Formen des Zeitwortes:


a) Das Präsens endet auf as; z.B. mi far'as, ich mache.

b) Die vergangene Zeit auf is; z.B. li far'is, er hat gemacht.

c) Das Futurum auf os; z.B. ili far'os, sie werden machen.

ĉ) Der Konditionalis auf us; z.B. ŝi far'us, sie würde machen.

d) Der Imperativ auf u; z.B. far'u, mache, macht; ni far'u, lasset uns machen.

e) Der Infinitiv auf i; z.B. far'i, machen.

f) Partizipum präsentis aktivi auf ant; z.B. far'ant'a, machender; far'ant'e, machend.

g) Partizipum perfekti aktivi int; z.B. far'int'a, der gemacht hat.

ĝ) Partizipum futuri aktivi ont; far'ont'a, der machen wird.

h) Partizipum präsentis passivi at; z.B. far'at'a, der gemacht wird.

ĥ) Partizipum perfekti passivi it; z.B. far'it'a, gemacht.

i) Partizipum futuri passivi ot; far'ot'a, der gemacht werden wird.

Alle Formen des Passivs werden mit Hülfe der entsprechenden Form des Wortes est (sein) und des Partizipum passivi des gegebenen Zeitwortes gebildet, wobei die Präposition de gebraucht wird; z.B. ŝi est'as am'at'a de ĉiu'j, sie wird von Allen geliebt.

7. Das Adverbium endet auf e; Komparation wie beim Adjektiv. Z.B: mi'a frat'o pli bon'e kant'as ol mi = mein Bruder singt besser als ich.

8. Alle Präpositionen regieren den Nominativ.



  1. Allgemeine Regeln.


9. Jedes Wort wird gelesen so wie es geschrieben steht.

10. Der Accent fällt immer auf die vorletzte Silbe.

11. Zusammengesetzte Wörter entstehen durch einfache Anreihung der Wörter, indem man sie durch hochstehende Striche trennt (Im Briefwechsel mit solchen Personen, die der internationalen Sprache schon mächtig sind, fallen die hochstehenden Striche zwischen den verschiedenen Theilen der Wörter weg.). Das Grundwort kommt zuletzt. Grammatikalische Endungen werden als selbstständige Wörter betrachtet. Z.B. vapor'ŝip'o (Dampfschiff) besteht aus vapor, Dampf, ŝip, Schiff, und o = Endung des Substantivs.

12. Wenn im Satze ein Wort vorkommt, das von selbst eine verneinende Bedeutung hat, so wird die Negation ne weggelassen; z.B. mi nenio'n vid'is, ich habe Nichts gesehen.

13. Auf die Frage „wohin“ nehmen die Wörter die Endung des Akkusativs an; z.B. tie, da; tie'n, dahin; Varsovi'o'n, nach Warschau.

14. Jede Präposition hat eine bestimmte, feste Bedeutung; ist es aber aus dem Sinne des Satzes nicht ersichtlich, welche Präposition anzuwenden ist, so wird die Präposition je gebraucht, welche keine selbstständige Bedeutung hat; z.B. ĝoj'i je tio, sich darüber freuen; rid'i je tio, darüber lachen; enu'o je la patr'uj'o, Sehnsucht nach dem Vaterlande. Die Klarheit leidet keineswegs darunter, da doch dasselbe in allen Sprachen geschieht, nämlich, daß man in solchen Fällen eine beliebige Präposition gebraucht, wenn sie nur einmal angenommen ist. In der internationalen Sprache wird in solchen Fällen immer nur die eine Präposition je angewendet. Statt der Präposition je kann man auch den Akkusativ ohne Präposition gebrauchen, wo kein Doppelsinn zu befürchten ist.

15. Sogenannte Fremdwörter, d.h. solche Wörter, welche die Mehrheit der Sprachen aus einer und derselben fremden Quelle entlehnt hat, werden in der internationalen Sprache unverändert gebraucht, indem sie nur die internationale Orthographie annehmen; aber bei verschiedenen Wörtern, die eine gemeinsame Wurzel haben, ist es besser, nur das Grundwort unverändert zu gebrauchen, die abgeleiteten Wörter aber nach den Regeln der internationalen Sprache zu bilden; z.B. Theater, teatr'o; theatralisch, teatr'a.

16. Die Endung des Substantivs und des Artikels kann ausgelassen werden, indem man dieselben durch einen Apostroph ersetzt; z.B. Ŝiller’, statt Ŝiller'o; de l’ mond'o, statt de la mond'o.

1 Ende Dezember 2002; s. http://babilejo.org (unter „Statistiko“)

2 Vgl. Piron 1981, Wells 1987, 38/39, 41/42, 45 u. Fellmann

3 Blanke 1985, 208; Baumann

4 Ammon 1991

5 Vgl. Rheinische Post v. 21.11.2002 (Glosse „Denglisch für Einsteiger“)

6 Blanke 1975, 2 (nach Wüster)

7 Blanke 1985, 142-144; Duliĉenko 51

8 Sikosek 1999, 222

9 Zamenhof 281

10 Sikosek 1999, 228, 224/25

11 Blanke 1985, 312, Sikosek 1999, 225

12 Blanke 1985, 312

13 Matthias 1999

14 Blanke 1985, These 22, Anhang, S. 8, Wells 1987, 45

15 Maul 1992, 17/18

16 Bruder von Ferdinand de Saussure

17 R. Saussure 1917, 6

18 11. Regel, Fundamento (Zamenhof), s. Anhang

19 Siehe Anhang, Teile B und C (Regeln 11 u. 15)

20 Siehe Fleischer 50 ff.

21 Siehe Fleischer 59 f.; ferner: Kalocsay/Waringhien 1980, 520/22

22 Kalocsay/Waringhien 1980, 373

23 Neergard 52

24 Wells 1987, 74-77, 83; Blanke 1985, 379 ff.,390/1

25 Http//: babilejo.org, 27.10.02. Ergänzungen in Klammern vom Autor.

26 Nova Plena Ilustrita Vortaro, 2002

27 Neergard 43

28 Vgl. Philippe 207/9, 266/70

29 Blanke 1985, 316

30 Samodaj 1999, 173

31 La Sankta Biblio (AT + NT). Londono/Edinburgo 1978, S. 573

32 Siehe Pejno, Simono

33 Vgl. Sikosek 1999, 77

34 Vgl. Sikosek 1999, 112

35 Vgl. Carlevaro 1999

36 Vgl. Stocker 128, 132, 145

37 Siehe Košecky

38 Piron 1989, 164f.

39 Born 1992

40 Quelle (Hrsg. Wolfram Diestel): http://www.uni-leipzig.de/esperanto/texte/bibl/fundamento

30


 

Fliegner, Josef (1934), Lic. phil., Dr. paed., Rektor a. D., unterrichtete nach der Ersten Lehrerprüfung (1965, PH Köln) rheinische/bergischeVolks-, Haupt- und Grundschüler. 1969/76 Fachleiter für Deutsch am Bezirksseminar in Leverkusen. 1984/94 Grundschulleiter in Wuppertal und Langenfeld/Rhld. 1976/79 Förderassistent, 1979/84 Lehrtätigkeit als Konrektor im Hochschuldienst am Deutschseminar der PH Rheinland, Abt. Köln; 1994/98 als Rektor i. H. am gleichen Seminar (jedoch: Universität zu Köln).

 

Vorliegender Artikel erschien inzwischen leicht umgearbeitet in:

 

Burkhart, Holger/OliverFink (Hrsg.): Sprache der Didaktik - Didaktik der Sprache. Festschrift für Hans Messelken. Würzburg: Königshausen & Neumann 2003, S. 196 - 221.

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